Coronavirus

Nur nicht aufgeben!

Unsere Fähigkeit, die neuen Zeiten zu akzeptieren und uns auf sie einzustellen, ist eine Grundvoraussetzung für die Bewältigung der durch das Coronavirus herbeigeführten Situation.

Die aktuelle Pandemie ist nicht spurlos an uns vorübergegangen. Ganz im Gegenteil hat sie ohne Rücksicht auf politische oder gesellschaftliche Grenzen einen rasend schnellen Siegeszug um die Welt angetreten.

Erste Gedanken à la „Mir wird schon nichts passieren“ oder „Das Virus wird schon nicht bis hierher kommen“ wurden durch eine vermeintlich irreale Situation, die alle diese Hoffnungen zunichte machte, schnell ad absurdum geführt.


Weltweit sind der Pandemie Hunderttausende von Menschen zum Opfer gefallen, größtenteils wegen der Unzulänglichkeit der Gesundheitssysteme im Umgang mit dieser Krise. Das war auch in unserem Land der Fall, in dem das medizinische Fachpersonal in einer Atmosphäre der Ungewissheit entsetzliche, haarsträubende Szenen erleben musste, Kriegsmedizin praktizierte, sich ansteckte und viele selbst dem Erreger erlagen. Angstzustände, Burnout und Hilflosigkeit waren verständliche Reaktionen dieser Berufsgruppe angesichts so paradoxer Erfahrungen wie dem täglichen Applaus um 20 Uhr und gleichzeitiger Stigmatisierung. Wir sollten auch die Menschen in anderen systemrelevanten Berufen nicht vergessen, deren Engagement unser Überleben während dieser dramatischen Monate ermöglicht hat.

 

Vor diesem Hintergrund sind die psychologischen Mechanismen zur Bewältigung der unterschiedlichen Erlebnisse verständlich. Der Impuls zur Rückbesinnung auf unsere Grundbedürfnisse ist stärker denn je; Sicherheit, ein Zuhause und Nahrungsmittel werden wieder lebensnotwendige Güter.

Während der ersten Wochen wurden unsere Gefühle hauptsächlich von Angst und der Furcht vor einer möglichen Ansteckung dominiert, von der Furcht vor einer völlig unbekannten Situation, in der einer unserer Lieben oder wir selbst unser Leben verlieren könnten. Und natürlich auch von der Furcht und Unsicherheit im Hinblick auf den möglichen Verlust unseres Arbeitsplatzes.


Die mit der typischen Sterilität einer Statistik behafteten Todeszahlen beziehen sich auf Tausende Menschen, die nun nicht mehr unter und bei uns sein können. Die älteren Menschen, die wir verloren haben, waren keineswegs anders als wir: sie waren einfach nur älter. Wie schwer muss es für sie gewesen sein, wehrlos sterben zu müssen und ihre Lieben hilflos, frustriert und wütend zurückzulassen – Gefühle, die von nur schwer zu ertragenden Situationen hervorgerufen wurden, die nach einer detaillierten bioethischen Analyse verlangen.


Von Anfang an haben Psychologen uns geraten, unseren Nerven Ruhe zu gönnen und uns eben nicht permanent den Neuigkeiten auszusetzen, sondern nur zu bestimmten Zeitpunkten vertrauenswürdige Informationen abzurufen.

Während wir einerseits dank der Sozialen Netzwerke einfacher als je zuvor miteinander in Verbindung bleiben konnten, waren wir andererseits gleichzeitig einem endlosen Strom von Fehlinformationen durch Wissenschaftsleugner und Moralexhibitionisten ohne jedwede Ethik ausgesetzt.

Und nicht zuletzt haben uns auch die ständigen Kehrtwendungen der Politiker beunruhigt und uns an einer gut durchdachten Grundlage ihrer Entscheidungen zweifeln lassen, zumal sie uns permanent ihre Abhängigkeit von Wählerstimmen und ihr Interesse an einer Wiederwahl vor Augen führten.


Trotz allem, was wir bisher unfreiwillig gelernt haben, dürfen wir jetzt nicht aufgeben. Der Wunsch, alles möge bald wieder so sein wie früher, hilft hier nicht weiter, denn vieles hat sich für immer verändert.

Ein winzig kleines Virus hat es geschafft, einen großen Teil der Welt lahmzulegen und präsentiert uns nun die Quittung für die Misshandlung unseres Planeten und die Missachtung unserer Umwelt.

Unsere Fähigkeit, die neuen Zeiten zu akzeptieren und uns auf sie einzustellen ist eine Grundvoraussetzung für die Bewältigung der neuen, durch das Coronavirus herbeigeführten Situation.


Sehr viele Menschen leiden unter klinisch signifikanten Angstzuständen, Schlafstörungen, Depressionen etc., die fachlicher Behandlung bedürfen.

Hinsichtlich unserer Resilienz hat sich jedoch eines grundlegend verändert: Unsere Vorstellungen von einer ganz bestimmten Lebensweise haben sich radikal umgekehrt.

Unsere gegenwärtige, eher egozentrisch geprägte Haltung wird kollektiver Fürsorge und gegenseitiger Unterstützung weichen müssen; beides wird für unsere weitere Existenz unabdingbar sein. Dasselbe gilt für die Wertschätzung, den Fortschritt und den Respekt vor der Wissenschaft.

Wir werden lernen müssen, mit Pandemien dieser Art zu leben. Und wir müssen akzeptieren, dass unsere Selbstverständlichkeiten sich geändert haben und nicht nur die Fähigkeit entwickeln, nach der buddhistischen Philosophie im Hier und Jetzt zu leben, sondern auch, uns den Wendungen anzupassen, die uns diese neue Realität mit schöner Regelmäßigkeit bescheren wird.

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