Around the World
Prächtige Bibliotheken
Text Bernat Garau
Man sagt, der Brand der legendären Bibliothek von Alexandria zwischen dem III und IV Jahrhundert vor Christus habe die Menschheit um tausend Jahre zurückgeworfen, denn 80 Prozent des gesammelten Wissens der Antike gingen in den Flammen für immer verloren. Wie heute wohl die Theaterwelt aussähe, wären nicht nur sieben Werke des Sophokles erhalten und die Dramaturgen hätten seine rund hundert Arbeiten zur Verfügung? Oder die universelle Literatur, wenn es Homers Heldengedicht Margites noch gäbe, das nach den Worten des Aristoteles den Kanon der Komödie definierte, so wie seine Werke Ilias und Odyssee Pate für die Tragödie standen?
Auch die Wissenschaften wurden Opfer des Brandes der Bibliothek von Alexandria. So zerfiel eine Kartographie des Eratosthenes von Kyrene, die eine runde Erde zeigte, sowie ein Buch des Aristarchos von Samos, das die Sonne als Mittelpunkt der Schöpfung beschrieb, Jahrhunderte bevor Galileo und Kopernikus dieselbe Idee hatten. Nicht zu vergessen die Traktate des Heron von Alexandria, die technische Anleitungen zum Bau von Dampfmaschinen, Robotern und Automaten enthielten. Dazu kommen all die Bücher, von denen wir nicht einmal eine Vorstellung haben, dass es sie gab.
Wo die Menschheit ohne den Verlust des gesammelten Wissens heute stünde ist reine Spekulation. Was wir jedoch tun können, ist daraus zu lernen. Wenn eine Bibliothek verloren geht, verschwindet nicht nur ein Teil der Geschichte der Menschheit, der Fortschritt derselben wird ebenfalls erheblich gehemmt. „Was würde uns wohl ohne Bibliotheken bleiben? Wir hätten weder Vergangenheit noch Zukunft“, manifestiert der Schriftsteller Ray Bradbury.
Die vorliegende Reportage zeigt einige der Bibliotheken unserer Welt, die die Menschheit mit Wissen erleuchten und durch ihre architektonische Schönheit beeindrucken. Wie schon der Comicautor Neil Gaiman wusste: „Google kann dir 100.000 Antworten geben, eine Bibliothek gibt dir die richtige Antwort.“
Auf ihrer 33.700 Quadratmeter großen Fläche kann die Bibliothek Tianjin Binhai (China) rund 1,2 Millonen Bücher beherbergen. Die weißen Regale sind geschossübergreifend bis unter die Decke mit Büchern gefüllt und bilden durch ihre geschwungene, terrassierte Form futuristisch anmutende Wellen. Dazwischen führen Freitreppen in die Etagen. In der Mitte befindet sich eine durchsichtige Kuppel, das Auditorium. Die im vergangenen Jahr eröffnete Bibliothek gilt als die schönste Chinas und wird poetisch „Meer des Wissens“ genannt.
Die Fassade der quaderförmigen Stadtbibliothek am Mailänder Platz von Stuttgart ist bei Nacht hübsch anzuschauen: dann wird sie farbig beleuchtet und erinnert an Rubiks Würfel. Die im nüchternenn Weiß gehaltenen elf Etagen laden zu Lesen und Ruhe ein. Die Bibliothek wurde 2011 eröffnet.
Seit 1946 ist die öffentliche Bibliothek im schwedischen Malmö in den Räumen des „Schlosses“ untergebracht, wie das Gebäude im Volksmund heißt. Das Haus ist vom Stil alter dänischer und schwedischer Festungen inspiriert und sollte ursprünglich Sitz des Malmöer Museums werden. Gleich daneben stehen zwei moderne Neubauten der Bibliothek: der gläserne „Lichtkalender“ (1997 eröffnet) und der zylinderförmige, steinerne „Zylinder“, der Alt- und Neubau miteinander verbindet. Das Ergebnis: ein kurioses Ensemble aus Tradition und skandinavischer Modernität.
rsprünglich sah der Entwurf des Architekten Toyo Ito für die Bibliothek der Kunsthochschule Tama in der japanischen Hauptstadt Tokyo vor, das gesamte Gebäude unter der Erde in einer Art Höhlenform anzulegen. Auch wenn er das Design wegen technischer Probleme nicht umsetzen konnte, versuchte Ito, den Hang auf dem sich die Bibliothek befindet zu nutzen und „übererdig einen unterirdischen Raum“ zu bauen. Besonders beeindruckend sind die von klassischen Vorbildern inspirierten Bögen. Die Anzahl der Bibliotheksbesucher hat sich seit der Eröffnung verdoppelt.
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